Seit ihrer Einführung hat die CNC-Technologie in den zurückliegenden Jahrzehnten die industrielle Fertigung grundlegend verändert und mit fortlaufenden Innovationen zu einem zuvor ungekannten Maß an Automation geführt. Dabei schneiden, fräsen und bohren moderne computergesteuerte Werkzeugmaschinen komplexe Werkstücke auf der Basis zuvor eingestellter Bearbeitungsprogramme mit großer Präzision und ermöglichen so eine besonders effiziente Bearbeitung mit engen Toleranzen.
In den letzten Jahren hat die Einbeziehung von künstlicher Intelligenz (KI) und maschinellem Lernen (ML) in die Steuerung von CNC-Maschinen zahlreiche von Entwicklungen hervorgebracht, die vielfältige Möglichkeiten zur weiteren Steigerung der Leistungsfähigkeit der Zerspanungstechnik bieten. Dabei handelt es sich zum einen um Entwicklungen im Rahmen von Forschungsprojekten, zu denen die Autoren Soori, Arezoo und Dastres im Jahr 2022 eine umfassende Zusammenstellung im Rahmen einer wissenschaftlichen Sekundärstudie vorgelegt haben und zum anderen um bereits auf dem Markt eingeführte Anwendungen, von denen weiter unten einige vorgestellt werden.
I. Einsatzbereiche von KI in der CNC-Fertigung
1. Optimierung von Fertigungsprozessen
Indem KI-Algorithmen große Mengen an Bearbeitungsdaten aus Fertigungsprozessen sammeln und analysieren, sind sie in der Lage, selbstständig Bearbeitungsprozesse zu lernen, zu planen und zu optimieren. Dabei ermittelt die Software beispielsweise die jeweils optimalen Parameter für Schneidgeschwindigkeit, Wahl und Wechsel der Werkzeuge sowie für die Bewegungsabläufe in der Maschine. Zudem kann durch Simulation der Kinematik des Bewegungssystems unter Einbeziehung von ermittelten Daten ein optimaler Bewegungssignalalgorithmus generiert werden. Insgesamt bieten KI-gestützte CNC-Systeme somit vielfältige Möglichkeiten, um Bearbeitungszeiten zu reduzieren und Ressourcen effizienter einsetzen.
2. Höherer Automatisierungsgrad bei gleichzeitiger Flexibilität
Durch die Implementation von KI-basierten CNC-Steuerungen lassen sich automatisierte Werkzeug- und Werkstückwechsel schneller realisieren, was die Effizienz der Produktion weiter steigert. Auch Änderungen von Fertigungsprozessen können automatisiert durchgeführt werden, wobei die Berechnung der Auswirkungen von Parametern wie z. B. Schnitttiefe, Fräs- und Vorschubgeschwindigkeit die jeweils effizienteste Prozessgestaltung ermöglicht.
3. Qualitätskontrolle mittels KI
Intelligente CNC-Systeme können Teile und Prozesse in Echtzeit auf Abweichungen und Fehler überprüfen, was eine schnellere Fehlererkennung ermöglicht. Die anschließende automatische Korrektur und Anpassung der Prozessparameter trägt zur Konsistenz der Produkte bei und führt somit zu einer geringeren Ausschussrate.
4. Generatives Design
Beim Generativen Design erzeugt ein KI-System aufgrund von zuvor festgelegten Bedingungen automatisch eine Vielzahl verschiedener Varianten für das Design der zu fertigenden Teile. Dabei analysiert die KI die einzelnen Parameter und zeigt die jeweils besten Konfigurationen auf.
5. Vorhersagende Wartung (Predictive Maintenance)
Die Überwachung von Bearbeitungsprozessen mittels Sensoren und KI-gesteuerter Analyse ermöglicht die frühzeitige Erkennung von Verschleiß und Schäden. So können KI-Systeme zum Beispiel präzise Vorhersagen zu Schnittkräften, Schnitttemperatur, Oberflächenrauheit, Eigenspannungen bei Fräs-, Dreh- und Schleifvorgängen sowie zum daraus resultierenden Verschleiß von Werkzeugen und der Lebensdauer von Maschinenteilen machen. Auf diese Weise können Wartungsintervalle optimiert werden, was die Ausfallzeiten reduziert und somit zu Kosteneinsparungen führt. Zudem können im Bedarfsfall Wartungen meist schneller und kostengünstiger durchgeführt werden, da Verschleiß und Fehler schneller erkannt werden.
6. Senkung des Energieverbrauchs
Mittels Techniken auf Basis maschinellen Lernens können KI-Systeme den Energieverbrauch von CNC-Werkzeugmaschinen präzise vorhersagen, analysieren und minimieren. Im Vergleich zu herkömmlichen Methoden zur Vorhersage des Energieverbrauchs werden die Genauigkeit und die Radialität von Energieverbrauchsmodellen damit deutlich verbessert.
7. KI-basierte Marktanalysen und Optimierung von Geschäftsmodellen
Für die effiziente Beschaffung von CNC-Teilen oder CNC-Maschinen sowie die Suche nach geeigneten Anbietern können KI-basierte Systeme schnell umfangreiche Daten bereitstellen und in übersichtlichen Dashboards darstellen. Dabei werden vom Nutzer vorgegebene Kriterien, technische Zeichnungen und weitere Vorgaben analysiert und mit umfangreichen Datenbanken abgeglichen, um die passendsten Lösungen für spezifische Anforderungen zu finden. Auch allgemeine Marktanalysen und Ansätze zur Optimierung von Geschäftsmodellen lassen sich durch KI-Systeme erstellen, wodurch fundierte und präzise Entscheidungen mit deutlich reduziertem Aufwand möglich sind.
II. Künstliche Intelligenz in der CNC-Praxis
1. Automatischen Programmieren von CNC-Bearbeitungen mit MAZATROL Smooth Ai
Bereits im Jahr 2019 präsentierte der CNC-Maschinenhersteller Mazak auf der EMO seine auf künstlicher Intelligenz basierende Steuerung MAZATROL Smooth Ai, die 3D-Modell-basierte CAD-Daten und KI-unterstützte Prozessauswahl zum automatischen Programmieren von CNC-Bearbeitungen verwendet. Dies versetzt CNC-Maschinen in die Lage, ihre Leistung auf der Basis von Informationen aus unterschiedlichsten Quellen wie Bediener, früheren Bearbeitungsprozesse und bekannten Umweltdaten stetig zu optimieren. Dabei identifiziert beispielsweise der Cutting Adviser automatisch die Programmabschnitte mit wichtigen Parametern wie Schnitttiefe, Drehzahl und Vorschubgeschwindigkeit eingestellt werden und gibt Vorschläge zu deren Einstellung. Insgesamt wird die Programmierzeit bei der Einrichtung einer CNC-Maschine mit Smooth Ai laut Angaben des Herstellers um 90% verkürzt.
Während der Bearbeitung überwacht die Funktion SMOOTH Ai Spindle die Spindelvibrationen und weitere Bearbeitungsbedingungen und passt Vorschubgeschwindigkeiten und Drehzahlen automatisch an. Ebenfalls zur größeren Genauigkeit, aber auch für höhere Prozesssicherheit, gleicht der Ai Thermal Shield automatisch Temperaturänderungen an der Maschine im Betrieb aus. Der Smooth Project Manager übermittelt schließlich die kompletten Bearbeitungsdaten an einen digitalen Zwilling (Digital Twin), eine virtuelle Darstellung des CNC-Systems, die für Simulationen und Analysen verwendet werden kann.
2. KI-gestützte Späneentsorgung von DMG Mori
Ein KI-gestütztes System zur Späneentsorgung hat der Hersteller DMG Mori im Jahr 2023 vorgestellt. Da Späne eine häufige Ursache für Ausfallzeiten und Störungen darstellen, ist eine reibungslose Späneentsorgung von großer Bedeutung in der industriellen Fertigung. Das System mit dem Namen AI Chip Removal analysiert das Aufkommen der bei der Zerspanung anfallenden Späne anhand von Bildern, die zwei hochauflösenden Kameras im Arbeitsraum der Maschine liefern, und sorgt automatisch für deren Entsorgung, indem es bewegliche Spül- und Kühlmitteldüsen während der Bearbeitung stets optimal ausrichtet und die Spülstrategie fortlaufend an die Erfordernisse anpasst. Durch die Analyse der Reinigungswirkung lernt das System außerdem fortlaufend dazu und lernt die spezifischen Arbeitsbedingungen bei den verschiedenen Fertigungsprozessen immer besser kennen.
Neben seinen Aktivitäten in der Entwicklung KI-gestützter CNC-Systeme beteiligt sich DMG Mori bereits seit dem Jahr 2019 mit einer strategischen Beteiligung als Investor an dem bayerischen Softwareunternehmen up2parts, das mit seiner KI-Software up2parts eine Lösung zur geometrischen Bauteil-Analyse für einfache und schnelle Arbeitsplanerstellung und Preiskalkulation für individuelle Bauteile anbietet.
3. Partfox: KI-Tool zur Beschaffung von CNC-Teilen
Eine weitere KI-Lösung für Einkäufer in der CNC-Fertigung bietet das Schweizer Unternehmen Orderfox an. Das Tool Partfox „versteht“ technische Zeichnungen im PDF- und STEP-Format und erkennt die für die Anfertigung des entsprechenden Bauteils notwendigen Technologien und Maschinen. Als Ergebnis dieser Analyse liefert die intelligente Software eine Auswahl an internationalen Herstellern, die über den passenden Maschinenpark sowie freie Produktionskapazitäten verfügen.
KI in der CNC-Technik – Fazit zum Stand der Dinge
Die Integration von künstlicher Intelligenz (KI) und maschinellem Lernen (ML) die CNC-Technologie ermöglichen nicht nur eine Optimierung von Fertigungsprozessen und eine höhere Automatisierung, sondern verbessern auch die Qualitätskontrolle, reduzieren den Energieverbrauch und ermöglichen vorausschauende Wartung. Durch den Einsatz von KI werden CNC-Maschinen flexibler und effizienter, was zu einer gesteigerten Produktivität und Kostenreduktion in der industriellen Fertigung führt. Bereits heute in der Praxis eingesetzte Anwendungen lassen erahnen, wie künstliche Intelligenz die CNC-Fertigung in Zukunft prägen wird.
Bild: In the midst of the bustling factory floor, the AI robotic arm and automated welding lathe work in perfect harmony, guided by an overlay HUD system for seamless coordination © kittikunfoto – stock.adobe.com